Human-Computer Interaction

Neubewertung von Full-Body-VR-Systemen: Eine vergleichende Untersuchung der Nutzererfahrung über technologische Generationen hinweg


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Motivation

Mit den rasanten technologischen Fortschritten der letzten Jahre hat sich die Qualität von Full-Body Virtual Reality (VR) Systemen deutlich verbessert. Modernere VR-Brillen bieten eine höhere Auflösung, präzisere Bewegungsverfolgung und geringere Latenzen im Vergleich zu älteren Modellen. Diese Entwicklungen haben die Immersion auf ein neues Niveau gehoben und gleichzeitig das empfundene Presence sowie das Sense of Embodiment (SoE) nachhaltig beeinflusst.

Die Immersion ist entscheidend für die SoE in VR und die gesamte User Experience [1]. Angesichts dieser Fortschritte stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse älterer Studien mit früheren Technologien heute noch gültig sind. Viele Erkenntnisse zur User Experience basieren auf Systemen, die nicht den aktuellen technischen Standards entsprechen. Verbesserungen wie genauere Bewegungsverfolgung oder immersivere audiovisuelle Darstellungen könnten die User Experience grundlegend verändert haben.

Es ist daher essenziell, die Relevanz früherer Forschungsergebnisse zu überprüfen. Besonders für die Weiterentwicklung von VR-Systemen in praxisnahen Bereichen wie Therapie oder Training, wo diese Technologien zunehmend Anwendung finden, ist die Klärung dieser Fragestellung von großer Bedeutung. Die Überprüfung wird jedoch durch eine Forschungslücke erschwert: Ein systematischer Vergleich der nutzerzentrierten Qualität von Full-Body VR-Systemen, der technologische Entwicklungen im Laufe der Zeit berücksichtigt, fehlt bislang.

Frühere Studien haben gezeigt, dass Full-Body VR-Systeme, bestehend aus Head-Mounted Displays (HMDs) und Body-Tracking, das SoE und Presence beeinflussen. Eine Analyse, die diese Erkenntnisse unter Berücksichtigung fortschreitender technischer Innovationen systematisch erweitert, steht jedoch noch aus.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Qualität von Full-Body VR Systemen über verschiedene technologische Entwicklungsstufen hinweg zu untersuchen. Dabei liegt der Fokus auf der Nutzerperspektive, da ein rein technischer Vergleich aufgrund der Vielzahl an Parametern und Implementierungsunterschieden schwer durchführbar ist [5].

Forschungsfragen:

Slater (1997) beschreibt Immersion als ein technisches Merkmal von Full-Body VR Systemen, das sich anhand verschiedener Dimensionen bewerten lässt. Er erklärt:

“It is proposed that the degree of immersion can be objectively assessed as the characteristics of a technology, and has dimensions such as the extent to which a display system can deliver an inclusive, extensive, surrounding, and vivid illusion of virtual environment to a participant” [7].

In einer umfassenden Meta-Analyse identifizieren Cummings und Bailenson (2016) [1] drei zentrale technische Merkmale, die maßgeblich die Immersion und die User Experience in VR beeinflussen:

Diese Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für die User Experience sowie das subjektive Empfinden von Presence und Sense of Embodiment [8].

Sense of Embodiment (SoE): Gefühl, einen virtuellen Körper als den eigenen wahrzunehmen und mit ihm zu interagieren [4].
Presence: Subjektives Empfinden des “Dortseins” in einer virtuellen Umgebung [6].

Zusätzlich zeigen Eubanks et al. (2020) [2] und Goncalves et al. (2022) [3], dass präzise Bewegungsreplikation die Verbindung der Nutzer zu ihrem virtuellen Körper stärkt.

Im Rahmen dieser Arbeit wird ein bestehendes Benchmark-System erweitert, das zwei spielbasierte Szenarien umfasst. Diese Szenarien wurden entwickelt, um typische Interaktionen in virtuellen Umgebungen zu simulieren und gezielt Schwächen in Tracking-Systemen wie Latenz, Jitter oder Drift zu identifizieren [5].

Concept

Die erste Phase der Methodik besteht aus einer umfassenden Literaturrecherche. Dabei werden bisherige Studien zur Immersion und Replikationstreue analysiert, um eine solide theoretische Grundlage für die experimentellen Untersuchungen zu schaffen.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden zwei Full-Body VR-Systeme in einem 2x5 Mixed-Design verglichen. Der Between-Subjects-Vergleich findet zwischen den beiden VR-Systemen statt. Die unabhängigen Variablen sind hierbei das alte System (Oculus DK1 + Vive Tracker 1.0) und das neue System (HTC VIVE Pro 2 + Vive Tracker Ultimate). Der Within-Subjects-Vergleich erfolgt zwischen verschiedenen Aufgabentypen, die alle Teilnehmenden randomisiert durchlaufen.

Im Rahmen dieser Thesis werden zwei Aufgaben in Unity implementiert, um die Motion-Tracking-Benchmarks von Lugrin zu erweitern und für die Studie zu nutzen. Eine der zentralen neuen Aufgaben ist das Tanzspiel, das ein Reaktionsspiel mit besonderem Fokus auf Fußbewegungen darstellt. Zusätzlich wird die bereits bestehende Aufgabe „Hallway Game“ aus den Benchmarks von Lugrin[5] adaptiert und in Unity implementiert.

Die Aufgaben lassen sich in zwei Hauptkategorien in eine Contact-Free Task und mehrere Contact-Sensitive Tasks einteilen:

Für die Studie werden 20–30 Probanden über das Probandensystem SONA der Universität Würzburg rekrutiert. Die Teilnehmenden durchlaufen alle fünf Aufgaben in zufälliger Reihenfolge, wobei jeder Teilnehmende eines der beiden VR-Systeme verwendet. Dabei werden sowohl objektive als auch subjektive Daten erhoben:

Im Rahmen der subjektiven Datenerhebung füllen die Teilnehmenden nach jeder Aufgabe standardisierte Fragebögen aus, die verschiedene Aspekte der Nutzererfahrung erfassen. Der Sense of Embodiment wird mithilfe des Virtual Embodiment Questionnaires (VEQ) und der erweiterten Version VEQ+ gemessen. Präsenz wird durch den Igroup Presence Questionnaire (IPQ) bewertet, während der Virtual Human Perception (VHP) Fragebogen die Erscheinungs- und Verhaltensplausibilität erfasst. Zudem wird die mentale Belastung (Task Load) mit dem NASA Raw Task Load Index (NASA TLX) erhoben. Abschließend werden die Teilnehmenden nach ihren subjektiven Einschätzungen befragt, wie leicht oder schwer ihnen die jeweilige Aufgabe gefallen ist. Alle Fragebögen und die subjektive Einschätzung werden über LimeSurvey erfasst.

Für die objektive Datenerhebung werden implizite Performancemaße für jede Aufgabe erfasst. Beim Hallway Game werden die Anzahl der erfolgreich bewältigten Wände, die Anzahl der Kollisionen, die Stärke der Kollisionen und die maximale Wandgeschwindigkeit gemessen. Bei der Tanzaufgabe werden die Anzahl der erfolgreich betretenen Tanzfelder, die Anzahl der Versuche und Fehler pro Tanzfeld, die Stärke der Fehler sowie die Reaktionszeit dokumentiert.

Nach Abschluss der Datenerhebung werden die gesammelten Daten statistisch ausgewertet. Die Analyse der subjektiven Daten soll Unterschiede in der User Experience zwischen den getesteten Systemen aufzeigen. Die objektiven Daten aus den einzelnen Aufgaben ermöglichen Aussagen darüber, welcher Interaktionstyp für welches System am besten geeignet ist und ob Ergebnisse älterer Studien mit älteren Full-Body VR Systemen, die die virtuelle Körperwahrnehmung untersuchen, auf heutige Full-Body VR Systeme übertragbar sind. Die Erkenntnisse werden im letzten Abschnitt der Arbeit zusammengeführt. Daraus werden praktische Implikationen abgeleitet, insbesondere in Bezug darauf, ob Ergebnisse aus früheren Studien mit älteren VR-Systemen auf heutige Technologien übertragbar sind.

Referenzen

  1. James J. Cummings und Jeremy N. Bailenson. „How Immersive Is Enough? A Meta-Analysis of the Effect of Immersive Technology on User Presence“. In: Media Psychology 19.2 (2016), S. 272–309. eprint: https://doi.org/10.1080/15213269.2015.1015740 (siehe S. 1 f.).
  2. James Coleman Eubanks et al. „The Effects of Body Tracking Fidelity on Embodiment of an Inverse-Kinematic Avatar for Male Participants“. In: 2020 IEEE International Symposium on Mixed and Augmented Reality (ISMAR). 2020, S. 54–63 (siehe S. 2).
  3. Guilherme Gonçalves et al. „Evaluation of the impact of different levels of self-representation and body tracking on the sense of presence and embodiment in immersive VR“. In: Virtual Reality 26 (März 2022) (siehe S. 2).
  4. Konstantina Kilteni, Raphaela Groten und Mel Slater. „The Sense of Embodiment in Virtual Reality“. In: Presence Teleoperators & Virtual Environments 21 (Nov. 2012) (siehe S. 2).
  5. Jean-Luc Lugrin et al. „Usability benchmarks for motion tracking systems“. In: Proceedings of the 19th ACM Symposium on Virtual Reality Software and Technology. VRST ’13. Singapore: Association for Computing Machinery, 2013, S. 49–58 (siehe S. 1–4).
  6. David Nuñez und Edwin Blake. „Cognitive Presence as a Unified Concept of Virtual Reality Effectiveness“. In: (Sep. 2001) (siehe S. 2).
  7. Mel Slater und Sylvia Wilbur. „A Framework for Immersive Virtual Environments (FIVE): Speculations on the Role of Presence in Virtual Environments“. In: Presence: Teleoperators & Virtual Environments 6 (1997), S. 603–616 (siehe S. 2).
  8. Haoran Yun et al. „Animation Fidelity in Self-Avatars: Impact on User Performance and Sense of Agency“. In: März 2023 (siehe S. 2).

Contact Persons at the University Würzburg

Marie Luisa Fiedler (Primary Contact Person)
Psychology of Intelligent Interactive Systems Group and Human-Computer Interaction, Group University of Würzburg
marie.fiedler@uni-wuerzburg.de

Prof Dr. Carolin Wienrich
Psychology of Intelligent Interactive Systems Group, Universität Würzburg
carolin.wienrich@uni-wuerzburg.de

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