Human-Computer Interaction

Design- und Darstellungsmethoden für die Gefahrenvisualisierung von medizinischen Messwerten in der Patientenakte


This project is already completed.

Einleitung und Motivation

Das Interesse an dem Gebiet Telemedizin, welches Telekommunikationstechnologien nutzt, um medizinische Informationen und Services bereit zu stellen, hat bereits in den 1990ern drastisch zugenommen (Perednia 1995). Telemedizinische Produkte machen eine ortsunabhängige Kommunikation zwischen Gesundheitsdienstleistern und Patienten möglich (Galletta et al. 2019), wodurch das Erreichen von ländlichen Gebieten (Berman und Fenaughty 2005), älteren Personen (Demiris et al. 2004) oder Menschen mit Behinderung(Stefanov et al. 2004) vereinfacht wird. Auch für chronisch kranke Patienten, die wiederholt Tests und Verfahren durchlaufen und über eine lange Zeit betreut werden müssen, ist die telemedizinische Versorgung eine Erleichterung (Andry et al. 2008, 2009). Nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Verfügbarkeit von medizinische Informationen und Services, um ein angemessenes medizinisches Management bereitzustellen, kann ermöglicht werden (Perednia, 1995). Durch telemedizinische Produkte kann somit eine kontinuierliche gesundheitliche (Selbst-) Überwachung erreicht werden, wodurch ein gesundheitsförderndes Verhalten, die Reduzierung von Gesundheitsproblemen, und eine personalisierte, lokalisierte und bedarfsgerechte Intervention möglich gemacht wird (Kumar et al. 2013).

Für die Forschung ist die Visualisierung von medizinischen Daten bis heute eine große Herausforderung. Dieser Teilbereich der Telemedizin ist noch recht neu und wurde erst in den letzten Jahren intensivier behandelt. Die Visualisierung zielt darauf ab, das Datenverständnis effektive zu vermitteln um somit das erfolgreiche Erfassen, Analysieren und Verstehen der Daten zu ermöglichen ( Galletta et al., 2019; Saket et al. 2016). Das effiziente Präsentieren der Daten wird beispielsweise durch die Nutzung des Internet of Things (IoT) und Wearable Geräten erschwert, da die Datenmenge stetig ansteigt (Galletta et al., 2019). Um die Datenvisualisierung zu verbessern, wird neben der Effektivität der Informationsdarstellung (Shaalan und Jusoh, 2020) auch die Benutzerfreundlichkeit und die Wirkung der Darstellung untersucht, wobei die Interaktion des Nutzers eine bedeutende Rolle spielt (Clarke et al., 2006). Aus diesem Grund wird beispielsweise die Usability untersucht, welche nach ISO ISO 9241-11 das „Ausmaß, in dem ein System, ein Produkt oder eine Dienstleistung von bestimmten Benutzern verwendet werden kann, um bestimmte Ziele mit Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit in einem bestimmten Nutzungskontext zu erreichen“ ist (International Organization for Standardization, 2018). Um die Anforderungen eines jeden Nutzers erfüllen zu können, sollte eine Bewertung des Designs erfolgen (Saket et al. 2016). Seit vielen Jahren wird ein “erfolgreiches” Design über die Erfüllung der Usability-Ziele definiert (Norman 2004, 2013), welche die Effektivität, Effizienz, Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und die Erlernbarkeit eines Designs betrachten (Dix 2010).

Da die Telemedizin den Zugang zu Informationen für jeden Benutzer vereinfachen soll (Hjelm et al., (2005), ist es wichtig, dass bei der Visualisierung von medizinischen Informationen alle Nutzergruppen beachtet werden. Man kann beispielsweise zwischen Menschen mit oder ohne medizinisches Fachwissen oder zwischen älteren und jüngeren Benutzern unterscheiden. Jede Gruppe hat für die Visualisierung unterschiedliche Anforderungen. So ist zum Beispiele für einen Mediziner oder medizinisches Personal die fehlerfreie und schnelle Analyse und Interpretation der Messwerte wichtig (Wang et al. 2011). Für den Patienten hingegen, welcher eventuell über wenig bis kein medizinisches Hintergrundwissen verfügt, ist es wichtig, dass die Darstellung einfach und klar verständlich präsentiert wird (Clarke et al. 2006) und auffällige Werte sichtbar gekennzeichnet werden (Fraccaro et al. 2018). Beim Unterscheiden von älteren und jüngeren Erwachsenen, sollte beachtet werden, dass sich die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten eventuell von denen der jüngeren Erwachsenen unterscheiden und die Erfahrungen mit dem Computer bzw. Internet stark variieren können (Nahm et al. 2004).

Forschungsstand

In den meisten Studien wurde die Usability über verschiedene Nutzerstudien mit Fragen bzw. Fragebögen, oder auch über objektive messbare Metriken validiert. Übliche Metriken sind zum Beispiel das Messen der Zeit bis eine Aufgabe beendet wurde, die Anzahl an beendeten Aufgaben, die Anzahl der Fehler, die während des Tests gemacht wurden (Chun und Patterson, 2012) und die Beobachtung des Auges über Eye-Tracking (Fraccaro et al. 2018). Zudem existieren bereits Veröffentlichungen, die die bisherige Literatur rezensieren. Carayon und Hoonakker (2019) untersuchten z.B. den Zusammenhang von menschlichen Faktoren und Usability-Problemen in der Gesundheits-IT und Forschung. Für die Visualisierung kam heraus, dass diese durch menschenzentrierte Designmethoden (Human Centered Design) verbessert und erweitert werden kann. Shaalan und Jusoh (2020) fassten Ziele, Metriken und Methoden zur Bewertung von Datenvisualisierungstechniken, die über die üblichen Usability-Ziele hinaus gehen, zusammen. Dabei wurden die positive Auswirkung der Visualisierung auf die UX, der Zusammenhang zwischen menschlichen Faktoren und der UX, sowie die Vorschläge zur Informationsvisualisierung, der Benutzerfreundlichkeit und zum Benutzerverhaltens untersucht. Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass je nach Aufgabentyp oder Nutzerszenario, leistungsorientierte Metriken, wie zum Beispiel die Messung der Zeit oder der Genauigkeit, für die Bewertung der Darstellung genutzt werden können, jedoch auch alternative Bewertungsmethoden, wie die Einprägsamkeit, das Engagement und die Freude, mit einbezogen werden sollten.

In der Studie von Chun und Patterson (2012) wurde die Nützlichkeit eines internet-basierenden telemedizinischem Systems für ältere (Anzahl N=16) und jüngere (N=10) Erwachsene getestet. Jeder Benutzer musste neun Aufgaben erledigen, wobei jede Aufgabe in einem anderen Bereich des Systems stattfand (z.B. Finden einer Klinikeinrichtung, Telefonnummer des Arztes, Informationen zu Diabetes etc.). Dabei wurden die Unterschiede der Gesamtleistung und der Zufriedenheit zwischen den zwei Gruppen untersucht, indem die Aufgabenabschlussrate und -zeit, die Anzahl der Fehler und der Zufriedenheit (Fragen und Interview) gemessen wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass ein Wörterbuch bzw. ein Glossar für medizinische und gesundheitliche Begriffe und eine gut organisierte Menüstruktur mit konsistentem und klar gekennzeichnetem Inhalt dazu beitragen, dass ältere Menschen ein telemedizinisches System effektiver, effizienter und einfacher nutzen können. Auch im Review von Shaalan und Jusoh (2020) wird in Richtlinie Nr. 3 beschrieben, dass die Visualisierung von medizinischen Informationen auf intuitive Weise stattfinden soll, welche leicht lernbar, verstehbar, navigierbar, erkennbar und verwaltbar sein soll. Das kann beispielsweise durch Verwendung von Standardfunktionen, die auf die Bedürfnisse des Nutzers angepasst sind, erreicht werden. Auch in der Studie von Nayak et al. (2006) wurde die Benutzerfreundlichkeit der Navigation und Suche für ältere Erwachsene (N=80), die das Internet unterschiedlich oft Nutzten, analysiert. Die Nutzer wurden gebeten, Informationen zu einem gesundheitsbezogenen Thema von zwei unterschiedlichen Webseiten abzurufen und anschließend eine Validierung über mehrere Fragebögen abzugeben. Es wurden Fragebögen zur Nützlichkeit, Ästhetik, Benutzerfreundlichkeit und Zufriedenheit verwendet und die Interaktionen wurden aufgenommen, sodass das erfolgreiche Abschließen einer Aufgabe, sowie die Suchzeit ermittelt werden konnten. Bei der Studie kam heraus, dass die Navigation zum Nutzen der Webseite beiträgt und wiederum der Nutzen zur Zufriedenheit führt.

Ein weiteres Gebiet der Datenvisualisierung ist die Gefahrenvisualisierung. Zikmund-Fisher et al. (2017) untersuchte den Zusammenhang zwischen der Visualisierung von Laborergebnissen und der Gefahreneinschätzung von Patienten (N=1620). Den Probanden wurden Werte (Bluttestergebnisse: Thrombozytenzahl, ALT-Wert, Kreatininwert) die etwas außerhalb oder sehr weit außerhalb des Standardbereiches lagen über eine Tabelle oder über eine von drei Nummer-Linien-Darstellungen (Abbildung 1)präsentiert. Diese unterschieden sich in der Farbgebung und Beschriftung. Anschließend wurden jedem Tester Fragen zur Auffälligkeit der Werte (Fragen: „Wie alarmierend ist dieses Ergebnis für Sie?“, „Wie dringend ist dieses Ergebnis?“; Antwort: 6-Punkte-Likert-Skala) und eine Frage zu ihrem Verhalten gestellt (Frage: „Welche der folgenden Aussagen beschreibt am besten, was Sie als Reaktion auf Ihr Testergebnis von [Testname] tun würden?“; Antwort: „Nichts“, „Sprechen Sie bei Ihrem nächsten regulären Termin mit Ihrem Arzt über dieses Testergebnis“, „Bitten Sie beim ersten verfügbaren Termin, Ihren Arzt aufzusuchen“, „Gehen Sie morgen in ein Krankenhaus oder Ihre Arztpraxis“, „Gehen Sie“ in ein Krankenhaus, sobald Sie später frei werden können“). Es konnte festgestellt werden, dass die Darstellung von Labortestergebnissen durch eine visuelle Anzeige, statt einer Tabelle, zu einer höheren Sensibilität des Patienten für Schwankungen in den Ergebnissen führen, und somit eine erhöhte Aussagekraft der Testergebnisse ermöglicht wird.

Auch Fraccaro et al. (2018) analysierte die Präsentation von Labortestergebnissen und den Einfluss des UI Designs auf die Risikointerpretation und das visuelle Suchverhalten. 20 Nierentransplantationspatienten wurden je drei verschiedene graphische Darstellungen (Baseline-, Contextualised- und Grouped-Presentation) mit niedrigen, mittleren und hohen Werten, bestehend aus 28 Laborteste, gezeigt (Abbildung 2). In der Baseline-Presentation ist zum einen eine Übersicht der Laborergebnisse in Form von Kacheln zu sehen, wobei jede Kachel Informationen zum Wert eines Labortests liefert. Durch das Anklicken einer Kachel werden die entsprechenden Testergebnisse in einem Graphen angezeigt. Es können zudem auch mehrere Graphen gleichzeitig angezeigt werden. Die Contextualised-Presentation basiert auf der Baseline-Presentation. Dieser Präsentation wurden zusätzlich visuelle Hinweise (farbige Balken in den Kacheln und farbige Bereiche im Graphen) hinzugefügt, normale und abnormale Werte zu kennzeichnen. Bei der Visualisierung von zwei Testergebnissen, werden die Graphen nebeneinander dargestellt. Bei der Grouped-Presentation, werden die Kacheln nach den Kategorien „Außerhalb des Standardbereichs“, „Kein Standardbereich verfügbar“ und „Innerhalb des Standardbereichs“ gruppiert dargestellt. Kacheln und Graphen werden nebeneinander präsentiert.

Über die Frage, wie sich die Tester verhalten würden, wenn die gezeigten Werte ihre Werte wären, wurde der Risikoeinschätzung abgefragt (Antwortmöglichkeiten: “Sofortiger Anruf bei ihrem Arzt (hohes Risiko)”, “Versuch, innerhalb der nächsten 4 Wochen einen Termin zu vereinbaren (mittleres Risiko)”, “Warten auf den nächsten Termin in 3 Monaten (niedrig interpretiertes Risiko)”). Um das Suchverhalten ermitteln und vergleichen zu können, wurde eine Eye-Tracking Methode verwendet. Die Studie zeigte, dass die Probanden das Risiko, vor allem mit mittleren Testergebnissen, oft fehlinterpretierten (65% der Teilnehmer) und der Handlungsbedarf bei allen Präsentationsformen mindestens einmal unterschätzt wurde. Teilnehmer, die das Gefahrenrisiko richtig einschätzten, zeigten eine höhere Effizienz bei der Suchstrategie. Insgesamt konnte festgestellt werden, dass trotz visueller Kennzeichnungen und unterschiedlicher Darstellungsmethoden von auffälligen Laborwerten, der Patient Schwierigkeiten mit der Interpretation dieser Werte hat und den Handlungsbedarf eher unterschätzt.

Zusätzlich zu einer guten Gefahrenvisualisierung, ist auch die Wahl der Visualisierungsart, entweder in Form einer Tabelle, eines Graphen oder beidem, wichtig. Brewer et al. (2012) führte zwei Experimente zum Thema Präsentationsformen für Risikofaktoren für Herzleiden (Body-Mass-Index (BMI), Blutdruck und Cholesterin) durch. Im ersten Versuch wurden den Probanden (N=106) medizinische Testergebnisse, (normale oder abnormale Werte) entweder in Form einer Tabelle oder eines Balkendiagramms gezeigt. Im Anschluss wurde die Betrachtungszeit, die Erinnerung, das Verständnis und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit abgefragt. Im zweiten Versuch, wurde sowohl die Tabelle als auch das Balkendiagramm präsentiert, wobei an dieser Stelle nur die Benutzerfreundlichkeit erfragt wurde. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass die Teilnehmer weniger Zeit benötigten, wenn ein Balkendiagramm statt einer Tabelle gezeigt wurde. Für die Erinnerungsgenauigkeit und das Verständnis konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden. Wenn nur ein Format präsentiert wurde, gab es in Nutzerfreundlichkeit keine Präferenzen, bei Betrachtung beider Formate, wurde von Probanden, welche Erfahrung mit Balkendiagrammen hatte, diese vorgezogen, jedoch andersherum, wurden Tabelle und Diagramm als gleich benutzerfreundlich angesehen. Es fiel auf, dass bei grenzwertigen Testergebnissen, das Balkendiagramm bevorzugt wurde.

Ziele

Für das telemedizinische Produkt medPower (System Vertrieb Alexander GmbH) werden drei User Interfaces (UI) erstellt, die unterschiedliche Darstellungsmethoden für die Visualisierung der Gesundheitsdaten Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker, Gewicht und Schritte pro Tag zeigen. Durch den Vergleich dieser UIs über den Benutzer, soll herausgefunden werden, welche Darstellungsmethoden für ein medizinisches Produkt am sinnvollsten in Bezug auf die Usability sind. Dabei liegt der Fokus auf den Darstellungsmethoden für die Gefahrenvisualisierung. Da medPower sowohl von medizinischen Dienstleistern als auch von Patienten genutzt wird, werden Visualisierungsmethoden verwenden, die für beide Gruppen einen optimalen Nutzen haben sollen. Dabei wird nicht nur der variierende medizinische Wissenstand der Nutzer beachtet, sondern auch das Alter. Mit Hilfe dieser Studie soll die Überwachung des Patienten, sowohl durch den Patienten selbst als auch durch das medizinische Personal, verbessert werden. Außerdem soll die Fehleranfälligkeit minimiert und eine einfache, schnelle und vorausschauende Interpretation der Daten ermöglicht werden. Ein weiteres Ziel ist, weitere Richtlinien für die Datenvisualisierung in einem medizinischen Produkt aufzustellen.

Systembeschreibung

Die unterschiedlichen Visualisierungsmethoden beziehen sich auf die Gefahrenvisualisierung der medizinischen Daten Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker, Gewicht und Schritte pro Tag.

Das erste UI dient als Grundlage (Abbildung 3). In diesem Interface kann über ein Drop-Down Menü zwischen den Wertetypen gewechselt werden. Nach der Auswahl eines Typens, wird zunächst nur der dazugehörige Graph angezeigt. Über den Button “Tabelle” kann zu der Tabellen-Ansicht des ausgewählten Messtypens gewechselt werden. Die Gefahrenvisualisierung ist durch die rote Markierung von auffälligen Messpunkten im Graphen dargestellt. Eine visuelle Darstellung und die farbliche Kennzeichnung erhöhen die Aussagekraft für Testergebnisse (Zikmund-Fisher et al., 2017). Wie oben beschrieben untersuchte Zikmund-Fisher et al. (2017) jedoch keine Liniendiagramme, sondern Zahlen-Liniendiagramme, in denen eine farbliche Kennzeichnung von auffälligen Werten präsentiert wurde. Die x-Achse des Graphen zeigt den Zeitpunkt der Messung, die y-Achse den entsprechenden Messwert. Im ersten Interface werden Liniendiagramme für die Darstellung des Blutdrucks, der Herzfrequenz, des Blutzuckers und des Gewichts verwendet. Die Schritte werden in Form eines Balkendiagrammes dargestellt. Zusätzlich zu der Gefahrenvisualisierung im Graphen, werden auffällige Werte auch in der Tabelle gekennzeichnet.

Das zweite UI (Abbildung 4) basiert auf dem ersten UI. Die Gefahrenvisualisierung ist, zusätzlich zu den roten Wertepunkten, durch zwei horizontale Linien gekennzeichnet, wobei diese eine minimale und eine maximal Wertegrenze darstellen. Die Trendlinien sollen dem Nutzer klar definierte Werte vorgeben, an denen sie sich orientieren können (Zikmund-Fisher et al., 2017). Zikmund-Fisher et al. (2017) gab Grenzwerte in einem Linen-Balkendiagramm vor, untersuchte jedoch keine Liniendiagramme. Im Review von Shaalan und Jusoh (2020) wird außerdem in Richtlinie Nummer 2 empfohlen, dass den Nutzern geholfen werden soll, Informationen, Muster und Trends zu erkennen, was beispielsweise durch das Verwenden von Farben und menschlich erkennbaren Elementen erfolgen kann.

Das dritte UI (Abbildung 5) hat ebenfalls das erste UI als Grundlage. Dieses setzt die Gefahrenvisualisierung über die Markierung von grünen bzw. roten Fläche um. Im grünen Bereich werden unauffällige, im roten Bereich, auffällige Werte dargestellt. Diese Methode basiert auf einer der Untersuchungen von Fraccaro et al. (2018). Darin konnte gezeigt werden, dass die farbliche Markierung zu einer höheren visuellen Sucheffizienz führte. Es konnte jedoch nicht gezeigt werden, dass die Präsentation im Zusammenhang mit der Risikobeurteilung der Nutzer stand. Hierbei wurde jedoch die Usability allein über die Gefahreneinschätzung des Nutzers getestet und nicht über beispielsweise den SUS oder ähnlichen Fragebögen.

In all diesen Studien wurden entweder Patienten oder eine zufällige Gruppe an Personen rekrutiert. Es wurde kein Vergleich zwischen Personen mit bzw. ohne medizinischen Hintergrund untersucht.

Methodik

Für die Visualisierung der medizinischen Daten Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker, Gewicht und Schritte, werden über das Prototyping-Tool Figma drei UIs erstellt. Über einen ersten Prototypen, kann eine frühe Visualisierung und iterative Optimierung eines UI ermöglicht werden, wodurch mit anschließenden Usability-Tests, ein frühzeitiges Feedback erfragt werden kann, welches zu einem möglichst nutzerfreundlichen Produkt führen kann (User Centered Design Prozess) (Amina Abromand, 2016). Da bereits eine Basis für das Design der Visualisierung der Gesundheitsdaten im Produkt medPower existiert, wurden digitale Prototypen, Papierprototypen vorgezogen. Mit diesen können feinere Konzepte erstellt werden, die das Aussehen und Erleben des Produktes besser transportieren können (Katharina Lattenkamp, 2018). Zudem ist es bei der derzeitigen Covid-19 Situation sinnvoller, digitale Prototypen zu verwenden, da bei Papierprototypen eine direkte Zusammenarbeit von Testmoderator und Tester an ein und demselben “Papier” stattfinden muss.

Um die Prototypen zu testen, wird eine Nutzerstudie mit mindestens 20 Probanden durchgeführt. Die Zielgruppen sind zum einen Personen, welche über kein medizinisches Fachwissen verfügen und eventuelle Patienten des Produkt medPower sein könnten, zum anderen, medizinische Fachkräfte, wie zum Beispiel Ärzte oder medizinisches Personal, die den medizinischen Dienstleiser repräsentieren sollen. Das Alter der Probanden soll variieren. Für die Personengruppe ohne medizinischen Hintergrund werden Studenten der Universität Würzburg sowie Studenten und Auszubildende der Firma SVA rekrutiert. Für die Personen mit medizinischem Hintergrund werden Ärzte und medizinische Angestellte, die in Kontakt mit der SVA/WZAT stehen, angefragt. Dazu kommen Personen aus dem Bekanntenkreis (mit medizinischer Ausbildung oder ohne). Die demographischen Daten der Probanden (Alter, Geschlecht, Bildung, Erfahrung mit medizinischen Messwerten, Erfahrung mit der Computernutzung) werden über einen Fragebogen festgehalten. Da die Stichprobe der Studie recht klein ist, wird in dieser das Within-Subject-Design verwendet. Jeder Proband testet die drei Interfaces in einer pseudo-randomisierten Reihenfolge, indem er vordefinierte Aufgaben ausführt und abschließt. Während der gesamten Studie wird das “Thinking Aloud” Prinzip verwendet. Eine Studienbeschreibung ist unter dem Punkt “Studienablauf” zu finden. Um die Nutzertests zu bewerten und die Usability zu messen werden quantitative Fragebögen erhoben. Die Einfachheit, Erlernbarkeit, Komplexität und die Nutzungsabsichten, werden über den SUS (System Usability Scale) Fragebogen gemessen (Matthias Raue, 2011). Zudem wird der QUESI (Questionnaire for Measuring the Subjective Consequences of Intuitive Use) zur Messung der Intutivität (Hurtienne und Naumann, 2010) und der UEQ (User Experience Questionnaire) zur Ermittlung der User Experience verwendet (Laugwitz et al., 2008).

Neben den Fragebögen wird die Performanz über eine Bildschirmaufnahme gemessen. Dadurch kann die Zeit, die der Nutzer benötigt hat um die Aufgabe abzuschließen, dokumentiert werden. Zudem wird festgehalten, ob die Aufgaben erfolgreich abgeschlossen wurden. Um einen weiteren Eindruck zu den gezeigten UIs zu bekommen, werden im Abschlussinterview folgende Fragen gestellt:

Die gesammelten Daten werden zum Schluss statistisch mit SPSS ausgewertet. Dabei soll die Varianz zwischen den Gruppen mit bzw. ohne medizinischen Hintergrund untersucht werden (eventuell t-Test). Zudem sollen die unterschiedlichen Bewertungen zwischen den drei Darstellungsmethoden betrachtet werden (eventuell Anova Test).

Studienablauf

Nachdem der Proband eingetroffen ist, werden Ziel und Ablauf der Studie erklärt. Dann bestätigt diese die freiwillige Teilnahme an der Studie und füllt den demographischen Fragebogen aus. Der Proband wird gebeten während der Studie alles was er denkt laut auszusprechen (“Thinking Aloud”). Zuerst wird die Aufgabenstellung für das erste Interface herausgegeben. Danach soll der Teilnehmer diese Aufgaben erledigen. Im Anschluss werden die Fragebögen ausfüllt. Dieses Vorgehen wird für das zweite und dritte Interface wiederholt. Nachdem alle Tests abgeschlossen wurden, endet die Nutzerstudie und nach einem kurzen Abschlussinterview werden die Probanden dankend verabschiedet.

Hypothesen

  1. Durch die Kennzeichnung von auffälligen Werten oder der Anzeige von Trends wird die Usability des UIs verbssert. (SUS)
  2. Durch die Kennzeichnung von auffälligen Werten oder der Anzeige von Trends kann die Intuitivität des UIs verbessert werden. (QUESI)
  3. Durch die Kennzeichnung von auffälligen Werten oder der Anzeige von Trends kann die Nutzerzufriedenheit des UIs gesteigert werden. (UEQ)
  4. Durch die Kennzeichnung von auffälligen Werten oder der Anzeige von Trends können auffällige Werte richtig erfasst werden. (Aufgabenergebnisse)
  5. Durch die Kennzeichnung von auffälligen Werten oder der Anzeige von Trends können auffällige Werte schneller erfasst werden. (Zeit bis Aufgabenende)

Arbeitsplan

Referenzen

Amina Abromand (2016): Warum Prototyping heutzutage unverzichtbar ist. Hg. v. basecom. Online verfügbar unter https://www.basecom.de/warum-prototyping-heutzutage-unverzichtbar-ist/, zuletzt aktualisiert am 06.05.2019, zuletzt geprüft am 06.10.2021.

Andry, Francois; Freeman, Larry; Gillson, John; Kienitz, John; Nicholson, Daren (2008): Highly-Interactive and User-Friendly Web Application for People with Diabetes. Online verfügbar unter https://www.researchgate.net/profile/francois-andry/publication/268277060_highly-interactive_and_user-friendly_web_application_for_people_with_diabetes.

Andry, Francois; Naval, Goutham; Nicholson, Daren; Lee, Michelle; Puzankov, Liliya; Kosoy, Igor (2009): Data Visualization in a Personal Health Record Using Rich Internet Application Graphic Components. In: Proceedings of the International Conference on Health Informatics, S. 111–116. DOI: 10.5220/0001378801110116.

Berman, Matthew; Fenaughty, Andrea (2005): Technology and managed care: patient benefits of telemedicine in a rural health care network. In: Health Economics 14 (6), S. 559–573. DOI: 10.1002/hec.952.

Brewer, Noel T.; Gilkey, Melissa B.; Lillie, Sarah E.; Hesse, Bradford W.; Sheridan, Stacey L. (2012): Tables or bar graphs? Presenting test results in electronic medical records. In: Med Decis Making 32 (4), S. 545–553. DOI: 10.1177/0272989X12441395.

Carayon, Pascale; Hoonakker, Peter (2019): Human Factors and Usability for Health Information Technology: Old and New Challenges. In: Yearb Med Inform 28 (1), S. 71–77. DOI: 10.1055/s-0039-1677907.

Chun, Young J.; Patterson, Patrick E. (2012): A usability gap between older adults and younger adults on interface design of an Internet-based telemedicine system. In: Work (Reading, Mass.) 41 Suppl 1, S. 349–352. DOI: 10.3233/WOR-2012-0180-349.

Clarke, Janice L.; Meiris, Deborah C.; Nash, David B. (2006): Electronic personal health records come of age. In: Am J Med Qual 21 (3 Suppl), 5S-15S. DOI: 10.1177/1062860606287642.

Demiris, George; Rantz, Marilyn; Aud, Myra; Marek, Karen; Tyrer, Harry; Skubic, Marjorie; Hussam, Ali (2004): Older adults’ attitudes towards and perceptions of “smart home” technologies: a pilot study. In: Medical Informatics and the Internet in Medicine 29 (2), S. 87–94. DOI: 10.1080/14639230410001684387.

Dix, Alan (2010): Human-computer interaction. 3. ed., [6. Nachdr.]. Harlow: Pearson Prentice-Hall. Fraccaro, Paolo; Vigo, Markel; Balatsoukas, Panagiotis; van der Veer, Sabine N.; Hassan, Lamiece; Williams, Richard et al. (2018): Presentation of laboratory test results in patient portals: influence of interface design on risk interpretation and visual search behaviour. In: BMC medical informatics and decision making 18 (1), S. 11. DOI: 10.1186/s12911-018-0589-7.

Fraccaro, Paolo; Vigo, Markel; Balatsoukas, Panagiotis; van der Veer, Sabine N.; Hassan, Lamiece; Williams, Richard et al. (2018): Presentation of laboratory test results in patient portals: influence of interface design on risk interpretation and visual search behaviour. In: BMC medical informatics and decision making 18 (1), S. 11. DOI: 10.1186/s12911-018-0589-7.

Galletta, Antonino; Carnevale, Lorenzo; Bramanti, Alessia; Fazio, Maria (2019): An Innovative Methodology for Big Data Visualization for Telemedicine. In: IEEE Trans. Ind. Inf. 15 (1), S. 490–497. DOI: 10.1109/tii.2018.2842234.

Hjelm, N. M. (2005): Benefits and drawbacks of telemedicine. In: Journal of Telemedicine and Telecare 11 (2), S. 60–70. DOI: 10.1258/1357633053499886.

Hurtienne, Naumann (2010): QUESI - A questionnaire for measuring the subjective consequences of intuitive use.

International Organization for Standardization (2018): ISO 9241-11:2018(en), Ergonomics of human-system interaction — Part 11: Usability: Definitions and concepts. Vernier, Geneva, Switzerland. Online verfügbar unter https://www.iso.org/obp/ui/#iso:std:iso:9241:-11:ed-2:v1:en, zuletzt aktualisiert am 20.10.2021, zuletzt geprüft am 20.10.2021.

Katharina Lattenkamp (2018): Prototypen – Varianten und Eigenschaften im Überblick. Hg. v. itemis. Online verfügbar unter https://blogs.itemis.com/prototypen-varianten-und-eigenschaften-im-%C3%BCberblick, zuletzt aktualisiert am 06.10.2021, zuletzt geprüft am 06.10.2021.

Kumar, Santosh; Nilsen, Wendy J.; Abernethy, Amy; Atienza, Audie; Patrick, Kevin; Pavel, Misha et al. (2013): Mobile health technology evaluation: the mHealth evidence workshop. In: American Journal of Preventive Medicine 45 (2), S. 228–236. DOI: 10.1016/j.amepre.2013.03.017.

Laugwitz, Bettina; Held, Theo; Schrepp, Martin (2008): Construction and Evaluation of a User Experience Questionnaire. In:. Symposium of the Austrian HCI and Usability Engineering Group: Springer, Berlin, Heidelberg, S. 63–76. Online verfügbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-540-89350-9_6.

Matthias Raue (2011): Quantitative Usablility-Analysen mit der System Usability Scale (SUS) - Nachrichten, Tipps & Anleitungen für Agile, Entwicklung, Atlassian-Software (JIRA, Confluence, Bitbucket, …) und Google Cloud. Hg. v. Nachrichten, Tipps & Anleitungen für Agile, Entwicklung, Atlassian-Software und Google Cloud. Online verfügbar unter https://blog.seibert-media.net/blog/2011/04/11/usablility-analysen-system-usability-scale-sus/, zuletzt aktualisiert am 06.10.2021, zuletzt geprüft am 06.10.2021.

Nahm, Eun-Shim; Preece, Jennifer; Resnick, Babara; Mills, Marry Etta (2004): Usability of Health Web Sites for Older Adults: A Preliminary Study. In: CIN: Computers, Informatics, Nursing 22 (6), S. 326. Online verfügbar unter https://journals.lww.com/cinjournal/fulltext/2004/11000/usability_of_health_web_sites_for_older_adults__a.7.aspx.

Nayak, Laxman; Priest, Lee; Stuart-Hamilton, Ian; White, Allan (2006): Website design attributes for retrieving health information by older adults: an application of architectural criteria. In: Univ Access Inf Soc 5 (2), S. 170–179. DOI: 10.1007/s10209-006-0029-9.

Norman, D (2004): Emotional design: Why we love (or hate) everyday things. Online verfügbar unter https://scholar.google.de/citations?user=h-2jebwaaaaj&hl=de&oi=sra.

Norman, D (2013): The design of everyday things: Revised and expanded edition. Online verfügbar unter https://scholar.google.de/citations?user=h-2jebwaaaaj&hl=de&oi=sra. Perednia, Douglas A. (1995): Telemedicine Technology and Clinical Applications. In: JAMA 273 (6), S. 483. DOI: 10.1001/jama.1995.03520300057037.

Saket, Bahador; Endert, Alex; Stasko, John (2016): Beyond Usability and Performance: A review of user experience-focused evaluations in visualization. In: Michael Sedlmair, Petra Isenberg, Tobias Isenberg, Narges Mahyar und Heidi Lam (Hg.): Proceedings of the Beyond Time and Errors on Novel Evaluation Methods for Visualization - BELIV ‘16. the Beyond Time and Errors. Baltimore, MD, USA, 10/24/2016 - 10/24/2016. New York, New York, USA: ACM Press, S. 133–142.

Shaalan, Duaa; Jusoh, Shaidah (2020): Visualization in Medical System Interfaces: UX Guidelines. In: 2020 12th International Conference on Electronics, Computers and Artificial Intelligence (ECAI): IEEE.

Stefanov, Dimitar H.; Bien, Zeungnam; Bang, Won-Chul (2004): The smart house for older persons and persons with physical disabilities: structure, technology arrangements, and perspectives. In: IEEE Trans. Neural Syst. Rehabil. Eng. 12 (2), S. 228–250. DOI: 10.1109/tnsre.2004.828423. Taras Bakusevych (2020): How to simplify your design | UX Magazine. Hg. v. UX Magazine (1823). Online verfügbar unter https://uxmag.com/articles/how-to-simplify-your-design, zuletzt aktualisiert am 06.09.2021, zuletzt geprüft am 06.09.2021.

Wang, Taowei David; Wongsuphasawat, Krist; Plaisant, Catherine; Shneiderman, Ben (2011): Visual information seeking in multiple electronic health records. In: Ümit V. Çatalyürek, Gang Luo, Henrique Andrade, Neil R. Smalheiser und Tiffany Veinot (Hg.): Proceedings of the 2010 ACM International Health Informatics, IHI ‘10 ; November 11 - 12, 2010, Arlington, Virginia, USA. the ACM international conference. Arlington, Virginia, USA, 11/11/2010 - 11/12/2010. Association for Computing Machinery; ACM International Health Informatics Symposium, IHI. New York, NY: Association for Computing Machinery, S. 46.

Zikmund-Fisher, Brian J.; Scherer, Aaron M.; Witteman, Holly O.; Solomon, Jacob B.; Exe, Nicole L.; Tarini, Beth A.; Fagerlin, Angela (2017): Graphics help patients distinguish between urgent and non-urgent deviations in laboratory test results. In: J Am Med Inform Assoc 24 (3), S. 520–528. DOI: 10.1093/jamia/ocw169.


Contact Persons at the University Würzburg

Philipp Krop (Primary Contact Person)
Human-Computer Interaction, Universität Würzburg
philipp.krop@uni-wuerzburg.de

Samantha Straka (Primary Contact Person)
Human-Computer Interaction, Universität Würzburg
samantha.straka@uni-wuerzburg.de

Legal Information