Human-Computer Interaction

Design einer Tangible AR-Anwendung für Lehr-Lern-Zwecke


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1. Motivation / Ziele

Im letzten Jahrzehnt hat mobile Technologie rasant an Erschwinglichkeit und Alltagstauglichkeit zugelegt. Heutzutage tragen 75% der Kinder ab 10 Jahren ein Smartphone in der Tasche ^1 dessen Rechenleistung die des Computers, der die erste Raumfahrt ermöglichte, um das millionenfache übersteigt ^2. Momentan fokussiert sich die Nutzung von Smartphones hauptsächlich neben dem Telefonieren auf das Schießen von Fotos, das Hören von Musik, Lesen von Nachrichten und die Nutzung sozialer Netzwerke ^3.

Dabei könnte eine Förderung der Nutzung von Smartphones im Lehrkontext vorteilhaft sein. Schließlich ist die Mehrheit der in einer aktuellen Studie befragten Schüler der Ansicht, dass digitale Medien den Unterricht interessanter gestalten und dass sie Lehrinhalte besser und schneller verständlich machen ^4. Durch mobile Geräte eröffnet sich Schülern und Studierenden die Möglichkeit, schnell auf Informationen zuzugreifen, Informationen auszutauschen und zusammenzuarbeiten sowie situiert zu lernen ^5. Außerdem lassen sich neue Formen des Lehrens und Lernens durch eingebaute Sensoren wie GPS, Gyroskop und Kamera umsetzen ^6. Beispielsweise können Augmented Reality (AR)-Anwendungen implementiert werden, welche Lernleistung und Motivation im Bildungskontext erhöhen können ^7.

Durch eine Kombination von AR mit Prinzipien von Tangible User Interfaces (TUI) beispielsweise durch die Verwendung von Fiducial Markern, werden digitale Informationen nicht nur in der realen Welt angezeigt, sondern können dort auch manipuliert werden. Auf diese Weise wird die reale und virtuelle Welt nahtlos miteinander verbunden und eine intuitive Interaktion begünstigt ^8. Durch die Möglichkeit virtuelle Objekte mit 6 Freiheitsgraden im Raum bewegen zu können, eignet sich Tangible AR (TAR) besonders für die Untersuchung dreidimensionaler Lerninhalte ^9 wie es beispielsweise in der Anatomielehre der Fall ist. Zudem wurde in vergleichenden Studien nachgewiesen, dass TUIs im Gegensatz zu Graphical User Interfaces (GUIs) mehr Freude hervorrufen ^10 und den kognitiven Aufwand reduzieren können ^11.

Damit eine Lehranwendung sinnvoll eingesetzt werden kann, muss neben einer geeigneten Aufbereitung der Lerninhalte auch eine gute User Experience (UX) und Usability gewährleistet werden ^12 ^13. Ziel dieses HCI-Projektes ist es daher, die TAR-Lehranwendung „Horst – the teaching frog“ hinsichtlich ihrer Usability und User Experience (UX) zu validieren. Die App ist für Kinder der sechsten Jahrgangsstufe der Realschule aus Basis von Guidelines aus den Bereichen AR, TUI und Playful User Interfaces (PUI) designt und soll die Grundlagen einer Froschsektion und die Funktionen der Organe vermitteln. Eine Nutzerstudie wird Usability und UX von drei verschiedenen Versionen der Smartphone-Anwendung vergleichen, um den Mehrwert von TAR im Hinblick auf User Experience und Intuitivität zu validieren. Bei den Versionen handelt es sich um (1) eine klassische GUI-basierte App ohne AR-Elemente, (2) eine AR-basierte App ohne Tangibles und (3) eine TAR-basierte App mit beweglichen Fiducial Markern und Plüschtier-Requisite.

2. Forschungsstand / Vorarbeiten

AR-Technologie überlagert Teile der realen Welt mit dreidimensionalen virtuellen Objekten und Informationen. Dabei verbindet sie interaktiv und in Echtzeit das Reale mit Virtuellem ^14. Wird AR mit greifbaren Objekten, die mit virtuellen Inhalten registriert sind, erweitert, handelt es sich um Tangible AR. Der Nutzer kann in diesem Fall mit virtuellen Objekten und Inhalten interagieren, indem er deren physisches Gegenstück manipuliert ^8.

Es existieren zahlreiche Frameworks, Design Guidelines und Heuristiken in Bezug auf die optimale Gestaltung von AR-, TAR- und PUI-Anwendungen ^15 ^16 ^17 ^18), deren Einhaltung eine gute Usability versprechen. Die Norm DIN EN ISO 9241-11 definiert sie als „das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“ ^19. Die Effektivität von AR im Lehrkontext konnte in Form von Wissenszuwächsen bei den Nutzern durch mehrere Studien nachgewiesen werden ^20 ^7. Allerdings herrscht ein Mangel an Studien, welche die Usability von Smartphoneanwendungen untersuchen ^18 ^21.

TAR-Anwendungen bieten mehrere Vorteile, welche eine hohe Usability gewährleisten sollten. Zum einen erhöht das 1-zu-1-Mapping von physischen und digitalen Objekten sowie das Space-Multiplexed Design, bei dem jedes physische Objekt nur eine Funktion besitzt, die Intuitivität der Interaktion ^8. Diese Intuitivität sowie die Unterstützung von epistemischen Handlungen ^22 reduziert wiederum die kognitive Beanspruchung des Nutzers ^11. Weiterhin erleichtert die Interaktion mit Objekten mit sechs Freiheitsgraden im realen Raum die Untersuchung von dreidimensionalen Objekten ^9 ^23. Zudem konnte in einer Studie gezeigt werden, dass TUIs eher Freude bei der Benutzung hervorrufen als klassische GUIs ^10.

Beim Design von TAR-Anwendungen können also drei besondere Vorzüge ausgenutzt werden ^24, welche positiv auf die Usability wirken können: (1) der Bezug zur echten Welt, (2) die kontextualisierte Darstellung von Inhalten sowie (3) die visuell-haptische Darstellung von virtuellem Inhalt. Dieses HCI-Projekt soll untersuchen, ob TAR-Anwendungen ihren Erwartungen gerecht werden und einen Mehrwert hinsichtlich der Usability gegenüber einer klassischen GUI-basierten App ohne AR-Elemente und einer AR-basierten App vorweisen können. Dazu werden folgende Forschungsfragen formuliert:

(1) Gibt es Unterschiede in der wahrgenommenen Intuitivität zwischen GUI-, AR- und TAR-basierter App?

(2) Gibt es Unterschiede in der wahrgenommenen Nutzerzufriedenheit zwischen GUI-, AR- und TAR- basierter App?

(3) Gibt es Unterschiede in der Präferenz zwischen GUI-, AR- und TAR- basierter App?

3. Geplante Methodik / Konzepte

Geplant ist eine Nutzerstudie, um Intuitivität und Nutzerzufriedenheit zu überprüfen. Da es sich um eine kleine Stichprobe handeln wird, soll ein Laborexperiment mit Within-Subject-Design durchgeführt werden, bei der die Teilnehmer mit randomisierter Reihenfolge drei verschiedene Versionen der „Horst – the teaching frog“-App testen. Nach jedem Durchgang sollen anschließend zwei quantitative Fragebögen erhoben werden. Zum einen der QUESI ^25 zur Erfassung der Intuitivität und zum anderen der User Experience Questionnaire, kurz UEQ ^26, zur Erfassung von Nutzerzufriedenheit. Die daraus gewonnenen quantitativen Ergebnisse werden statistisch untersucht werden. Abschließend sollen offene Fragen Hinweise darauf liefern, welche Version aus welchen Gründen am besten empfunden wurde sowie Raum für Verbesserungsvorschläge geben.

4. Referenzen

^1 Bitkom. (2020). Mit 10 Jahren haben die meisten Kinder ein eigenes Smartphone. Verfügbar unter https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Mit-10-Jahren-haben-die-meisten-Kinder-ein-eigenes-Smartphone

^2 Kendall, G. (2019, 16. Juli). Would your mobile phone be powerful enough to get you to the moon?, University of Nottingham. Verfügbar unter https://theconversation.com/would-your-mobile-phone-be-powerful-enough-to-getyou-to-the-moon-115933

^3 Bitkom (2017). Anteil der befragten Smartphone-Nutzer, die die folgenden Funktionen mit ihrem Smartphone nutzen [Graph]. In Statista. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/166150/umfrage/nutzung-vonsmartphone-funktionen-in-deutschland/

^4 Bitkom Research. (2020). Schüler-Studie zur Digitalisierung der Bildung, Bitcom Research. Verfügbar unter https://www.bitkom.org/sites/default/files/2020-03/prasentation-bitkom-pk-schulerstudie-26-03-2020_final_0.pdf

^5 Gikas, J. & Grant, M. M. (2013). Mobile computing devices in higher education: Student perspectives on learning with cellphones, smartphones & social media. The Internet and Higher Education, 19, 18–26. https://doi.org/10.1016/j.iheduc.2013.06.002

^6 Hochberg, K., Kuhn, J. & Müller, A. (2018). Using Smartphones as Experimental Tools—Effects on Interest, Curiosity, and Learning in Physics Education. Journal of Science Education and Technology, 27(5), 385–403. https://doi.org/10.1007/s10956-018-9731-7

^7 Bacca, J., Baldiris, S., Fabregat, R., Graf, S. & Kinshuk. (2014). Augmented Reality Trends in Education: A Systematic Review of Research and Applications. Educational Technology and Society, 17, 133–149.

^8 Billinghurst, M., Kato, H. & Poupyrev, I.. Tangible augmented reality. ACM SIGGRAPH ASIA 2008 Courses, 1–10. https://doi.org/10.1145/1508044.1508051

^9 Bach, B., Sicat, R., Beyer, J., Cordeil, M. & Pfister, H. (2018). The Hologram in My Hand: How Effective is Interactive Exploration of 3D Visualizations in Immersive Tangible Augmented Reality? IEEE Transactions on Visualization and Computer Graphics, 24(1), 457–467. https://doi.org/10.1109/TVCG.2017.2745941

^10 Gutiérrez Posada, J. E., Hayashi, E. C. S. & Baranauskas, M. C. C. (2014). On Feelings of Comfort, Motivation and Joy that GUI and TUI Evoke. In D. Hutchison, T. Kanade & J. Kittler (Eds.), Design, User Experience, and Usability. User Experience Design Practice. Third International Conference, DUXU 2014, Held as Part of HCI International 2014, Heraklion, Crete, Greece, June 22-27, 2014, Proceedings, Part IV (Lecture Notes in Computer Science / Information Systems and Applications, Incl. Internet/Web, and HCI, v.8520, vol. 8520, S. 273–284). Cham: Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-07638-6_27

^11 Chandrasekera, T. & Yoon, S.‑Y. (2015). The Effect of Tangible User Interfaces on Cognitive Load in the Creative Design Process. In J. Stadon, I. Gwilt & C. H. Smith (eds.), 2015 IEEE International Symposium on Mixed and Augmented Reality - Media, Art, Social Science, Humanities and Design. Fukuoka, Japan, 29 September-3 October 2015 : proceedings (S. 6–8). Piscataway, NJ: IEEE.

^12 Parlangeli, O., Marchigiani, E. & Bagnara, S. (1999). Multimedia systems in distance education: effects of usability on learning. Interacting with Computers, 12(1), 37–49. https://doi.org/10.1016/S0953-5438(98)00054-X

^13 Squires, D. & Preece, J. (1996). Usability and learning: Evaluating the potential of educational software. Computers & Education, 27(1), 15–22. https://doi.org/10.1016/0360-1315(96)00010-3

^14 Azuma, R. T. (1997). A Survey of Augmented Reality. Presence: Teleoperators and Virtual Environments, 6(4), 355–385. https://doi.org/10.1162/pres.1997.6.4.355

^15 Bacca-Acosta, J. L., Baldiris Navarro, S. M., Fabregat Gesa, R. & Kinshuk, K. (2019). Framework for designing motivational augmented reality applications in vocational education and training. Australasian Journal of Educational Technology, 35(3). https://doi.org/10.14742/ajet.4182

^16 Dunleavy, M. (2014). Design Principles for Augmented Reality Learning. TechTrends, 58(1), 28–34. https://doi.org/10.1007/s11528-013-0717-2

^17 Hinske, S., Langheinrich, M. & Lampe, M. (2008). Towards guidelines for designing augmented toy environments. In G. Marsden (ed.), Proceedings of the 7th ACM conference on Designing interactive systems. DIS 2008 ; February 25 - 27, 2008, Cape Town, South Africa (S. 78–87). New York, NY: ACM.

^18 Lee, W.-H. & Lee, H.-K. (2016). The usability attributes and evaluation measurements of mobile media AR (augmented reality). Cogent Arts & Humanities, 3(1). https://doi.org/10.1080/23311983.2016.1241171

^19 DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (2018). DIN EN ISO 9241-11:2018-11, Ergonomie der Mensch-System-Interaktion_- Teil_11: Gebrauchstauglichkeit: Begriffe und Konzepte (ISO_9241-11:2018); Deutsche Fassung EN_ISO_9241-11:2018. https://doi.org/10.31030/2757945

^20 Antle, A. N., Wise, A. F. & Nielsen, K. (2011). Towards Utopia. In T. Moher (ed.), Proceedings of the 10th International Conference on Interaction Design and Children (S. 11–20). New York, NY: ACM.

^21 Shareef, S. & Khan, M.N.A. (2019). Evaluation of Usability Dimensions of Smartphone Applications. International Journal of Advanced Computer Science and Applications, 10(9). https://doi.org/10.14569/IJACSA.2019.0100956

^22 Shaer, O. & Hornecker, E. (2009). Tangible User Interfaces: Past, Present, and Future Directions. Foundations and Trends® in Human–Computer Interaction, 3(1-2), 1–137. https://doi.org/10.1561/1100000026

^23 Besançon, L., Issartel, P., Ammi, M. & Isenberg, T. (2017). Mouse, Tactile, and Tangible Input for 3D Manipulation. In G. Mark, S. Fussell, C. Lampe, m.c. schraefel, J. P. Hourcade, C. Appert et al. (eds.), Explore, innovate, inspire. CHI 2017 : May 6-11, Denver, CO, USA (S. 4727–4740). New York, NY: Association for Computing Machinery Inc. (ACM).

^24 Santos, M. E. C., Chen, A., Taketomi, T., Yamamoto, G., Miyazaki, J. & Kato, H. (2014). Augmented Reality Learning Experiences: Survey of Prototype Design and Evaluation. IEEE Transactions on Learning Technologies, 7(1), 38–56. https://doi.org/10.1109/TLT.2013.37

^25 Hurtienne, J. & Anja Naumann. (2010). QUESI—A questionnaire for measuring the subjective consequences of intuitive use. Interdisciplinary College, (536).

^26 Hinderks, A., Schrepp, M., Rauschenberger, M., Olschner, S. & Thomaschewski, J. (2012). Konstruktion eines Fragebogens für jugendliche Personen zur Messung der User Experience.


Contact Persons at the University Würzburg

Dr. Sebastian Oberdörfer
Mensch-Computer-Interaktion, Universität Würzburg
sebastian.oberdoerfer@uni-wuerzburg.de

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