Gefahren von Glücksspiel in VR - Der Einfluss von Präsenz auf glücksspielbezogene schadensverursachende Faktoren
This project is already completed.

1. Motivation / Ziele
Nach einer ersten Vorstudie ist das Ziel dieser Arbeit die umfassende Untersuchung der Auswirkung von Virtueller Realität (VR) auf schadensverursachende Faktoren, die zu glücksspielbezogene Schäden führen können. Im Zuge dieser Arbeit werden keine VR-Glücksspiele optimiert oder neue Spiele designt, sondern nur Spielmechaniken genutzt, die bereits heute von VR Glücksspielen genutzt werden.
Pathologisches Spielen oder Glücksspielsucht ist eine Störung, die in häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücksspiel besteht. ^1. In Deutschland gelten etwa 500.000 Menschen als problematische oder pathologische Spieler ^2. Gleichzeitig hat sich im letzten Jahr etwa jeder dritte deutsche Erwachsene in irgendeiner Form an Glücksspielen beteiligt ^2.
Glücksspiele in VR sind eine neue Art von Glücksspielen. Sie sollen, im Vergleich zu herkömmlichen Glücksspielen, deutlich attraktiver für Spieler der Generation Y sein ^3. Auf Messen, wie der International Casino Expo, sind so für fast alle Arten von Glücksspielen bereits VR Versionen angekündigt worden.
Um das Gefährdungspotenzial von Glücksspielen in VR einschätzen zu können, fehlen aktuell wichtige Informationen. Existierende Studien zu Glücksspielen in VR nutzen veraltete Technik und unnatürliche Interaktionen, die in Bezug auf visuelle Immersion mit aktuellen VR-Anwendungen kaum noch vergleichbar sind ^4 ^5 ^6. Es wird vermutet, dass Glücksspiele in VR problematische Aspekte von Online-Glückspiel (wie digitale Währungen, keine Kontrolle des Alkoholkonsums und ein sofortiger Zugang zu Spiele-Sessions) und Spielhallen-Glücksspiel (wie motivierende Umgebungen und soziale Interaktionen) kombinieren ^7.
Um eine erste Einschätzung des Gefährdungspotenzial von Glücksspielen in VR durchzuführen, soll festgestellt werden, ob und in welcher Form sich eine erhöhte Präsenz auf schadensverursachende Faktoren auswirkt. Hierfür werden zwei Studien durchgeführt, die Anwendungen in VR und am Desktop in Bezug auf mögliche glücksspielbezogene schadensverursachende Faktoren untersucht.
2. Forschungsstand / Vorarbeiten
VR wird bereits für Glücksspielsucht-Therapien eingesetzt. Schlüsselfaktor bei diesen Therapien ist meist der Drang Glücksspiele zu spielen. VR wird genutzt, um pathologische Spieler direkt in eine emotionale Umgebung zu versetzen. Dadurch ist es möglich einen signifikanten Drang zum Glücksspielen zu erzeugen, der genau so stark wie der an einem echten Automaten ist ^8.
Eine erhöhte Präsenz in VR kann einen großen Einfluss auf die Game Experience haben, indem z.B. Emotionen ^9 oder die intrinsische Motivation ^10 verstärkt werden. Auch wurde bereits durch ältere Studien gezeigt, dass Präsenz die schadensverursachenden Faktoren Dissoziation und Craving beeinflussen kann. VR könnte Glücksspiele somit attraktiver und gefährlicher machen.
Bewertungsmethoden, die beschreiben, wie gefährlich ein Glücksspiel ist, existieren bereits. Diese Methoden beziehen sich jedoch nur auf Spielmechaniken. Der Einfluss von VR ist somit nicht messbar. Würde man ein Glücksspiel am Desktop mit demselben Glücksspiel in VR vergleichen, wären sie nach aktuellen Bewertungsmethoden genau gleich gefährlich.
Forschungsfelder, wie die Harm-Minimisation Strategien untersuchen dagegen Faktoren, die zu glücksspielbezogenen Schäden führen können. Zu den Harm-Minimisation Strategien zählen etwa Zwangspausen nach bestimmten Spielzeiten oder Informationen über Gewinnwahrscheinlichkeiten in oder an Spielen. Diese Maßnahmen sollen schadensverursachende Faktoren, wie Dissoziation oder Craving, minimieren und so die Gefährlichkeit eines Glücksspiels senken. Diese Faktoren sind unabhängig von Spielmechaniken und somit geeignet, um ein Glücksspiel am Desktop mit demselben Glücksspiel in VR zu vergleichen. Nach dem Wissen des Autors gibt es jedoch noch keine Harm-Minimisation Strategien für Glücksspiele in VR oder Harm-Minimisation Strategien, die im VR Kontext getestet wurden.
3. Geplante Methodik / Konzepte
Die bei diesen Studien untersuchten schadensverursachenden Faktoren sind Dissoziation, Verlangen, Dark Flow, Entscheidungsfindung, Kontrollillusion und Risiko.
Diese Faktoren werden in zwei Testumgebungen (Spielautomat und Iowa Gambling Task) untersucht. Beide Umgebungen sollen in VR und am Desktop gespielt werden können. Dabei sollen jeweils beide Versionen (Desktop/VR) möglichst identisch in Bezug auf Usability, Interaktionen und Präsentation sein, um eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Gemessene Unterschiede in schadensverursachenden Faktoren können so auf die erhöhte Präsenz zurückgeführt werden.
Spielautomaten sind die meiste gespielte Form von Glücksspielen von pathologischen Spielern und die umsatzstärkste Form von Glücksspiel in Deutschland ^11. Deshalb wird ein Spielautomat für VR und Desktop entwickelt und untersucht. Das besonders hohe Gefährdungspotential, das diese Automaten besitzen, könnte eventuelle Effekte deutlicher machen.
Der Iowa Gambling Task simuliert eine wiederholte Entscheidungsfindung unter Unsicherheit ^12. Pathologische Spieler treffen in diesem Test etwa schlechtere Entscheidungen als eine Kontrollgruppe. Nach Wissen des Autors wurde der Iowa Gambling Task noch nie in VR eingesetzt. Wenn Spieler in VR schlechtere Entscheidungen treffen als Spieler am Desktop, könnte das auf eine schlechtere Entscheidungsfindung in VR hinweisen. Dies könnte wiederum glücksspielbezogenen Schäden verursachen.
Für beide Studien wird ein Ethikantrag gestellt. Um potentielle Gefahren für die Probanden zu minimieren, wird darauf verzichtet echtes Geld in Verbindung mit den Glücksspielen zu verwenden. Um auszuschließen, dass pathologische Spieler an der Studie teilnehmen, werden Probanden, die einen Problem Gambling Severity Index ^13 von größer Null besitzen, von der Studie ausgeschlossen.
3.1 Hypothesen
Es werden folgende Hypothesen aufgestellt:
H1: “Dissoziation ist in der VR Version erhöht” H2: “Verlangen ist in der VR Version erhöht” H3: “Dark Flow ist in der VR Version erhöht” H4: “Entscheidungsfindung ist in der VR Version schlechter” H5: “Kontrollillusion ist in der VR Version erhöht” H6: “Eingegangenes Risiko ist in der VR Version erhöht”
3.2 Studiengestaltung
Die erste Studie (Spielautomat) wird mit einem Within-Subject-Design, die zweite (Iowa Gambling Task) mit einem Between-Subject-Design durchgeführt. Die erste Studie untersucht H1, H2, H3, H5 und H6. Die Zweite Studie untersucht H4. Fragebögen werden vor, während und nach dem Spielen von den Probanden bearbeitet. Außerdem wird nach dem Spielen beider Konditionen ein Interview geführt.
Um eventuelle Risiken von Glücksspielsucht zu minimieren, werden folgende Maßnahmen getroffen:
- Probanden müssen mindestens 18 Jahre alt sein.
- Probanden, die beim Problem Gambling Severity Index einen Score über 0 ^13 erzielen, dürfen nicht an der Studie teilnehmen.
- Die Probanden können kein Geld setzen oder gewinnen.
- Das System besitzt einen Return-to-Player von weniger als 95%. (Die Probanden erhalten ca. 95% ihres Einsatzes wieder zurück; werden also Verlust gemacht haben.)
- Am Ende der Studie wird ein Informationsvideo zu Spielsucht gezeigt.
- Es liegen Informationszettel zu Glücksspielsucht der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus.
Spielautomat Ablauf:
- Einverständnis-, Datenschutzerklärung & Allgemeine Teilnehmerinformation über die Untersuchung
- Vorfragebögen
- Tutorial/Einführung
- Spielen + Mid Fragebogen
- Postfragebögen
- Einführung
- Spielen + Mid Fragebogen
- Postfragebögen
- Interview
- Aufklärung und Prävention Video
Iowa Gambling Task Ablauf:
- Einverständnis-, Datenschutzerklärung & Allgemeine Teilnehmerinformation über die Untersuchung
- Vorfragebögen
- Spielen + Mid Fragebogen
- Postfragebögen
- Aufklärung und Prävention Video
3.3 Fragebögen
Es werden folgende Fragebögen verwendet:
- Problem Gambling Severity Index (PGSI) ^13
- Gambling Related Cognition Scale (GRCS) ^14
- Gambling Urge Scale (GUS) ^15
- Clinician Administered Dissociative States Scale (CADSS) ^16
- Immersion Tendency (IT) ^17
- Simulator Sicness (SimSic) ^18
- Mid Immersion Presence Questionaire (MIPQ) ^19
- Game Experience Questionaire (GEQ) ^20
4. Referenzen
^1 World Health Organization (1992). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: Clinical descriptions and diagnostic guidelines.
^2 Banz, M. and Lang, P.(2017). GLÜCKSSPIELVERHALTEN UND GLÜCKSSPIELSUCHT IN DEUTSCHLAND. Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, doi: 10.17623/BZGA:225-GS-SY17-1.0
^3 Griffiths, M. (2017). The psychosocial impact of gambling in virtual reality. Casino & Gaming International, (29), 51-54.
^4 Bouchard, S., Loranger, C., Giroux, I., Jacques, C., & Robillard, G. (2014). Using virtual reality to provide a naturalistic setting for the treatment of pathological gambling. In The Thousand Faces of Virtual Reality. InTech.
^5 Giroux, I., Faucher-Gravel, A., St-Hilaire, A., Boudreault, C., Jacques, C., & Bouchard, S. (2013). Gambling exposure in virtual reality and modification of urge to gamble. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 16(3), 224-231.
^6 Park, C. B., Park, S. M., Gwak, A. R., Sohn, B. K., Lee, J. Y., Jung, H. Y., … & Choi, J. S. (2015). The effect of repeated exposure to virtual gambling cues on the urge to gamble. Addictive behaviors, 41, 61-64.
^7 Gainsbury, S. M., & Blaszczynski, A. (2017). Virtual reality gambling: public policy implications for regulation and challenges for consumer protection. Gaming Law Review, 21(4), 314-322.
^8 Bouchard, S., Robillard, G., Giroux, I., Jacques, C., Loranger, C., St-Pierre, M., … & Goulet, A. (2017). Using Virtual reality in the Treatment of gambling Disorder: The Development of a new Tool for cognitive Behavior Therapy. Frontiers in psychiatry, 8, 27.
^9 Pallavicini, F., Ferrari, A., Pepe, A., Garcea, G., Zanacchi, A., & Mantovani, F. (2018, July). Effectiveness of Virtual Reality Survival Horror Games for the Emotional Elicitation: Preliminary Insights Using Resident Evil 7: Biohazard. In International Conference on Universal Access in Human-Computer Interaction (pp. 87-101). Springer, Cham.
^10 Makransky, G., & Lilleholt, L. (2018). A structural equation modeling investigation of the emotional value of immersive virtual reality in education. Educational Technology Research and Development, 1-24.
^11 Fachverband Sucht e.V. Bonn.Basisdokumentation 2016. Ausgewahlte Daten zur Entwöhnungsbehandlung.
^12 Bechara, A., Damasio, A. R., Damasio, H., & Anderson, S. W. (1994). Insensitivity to future consequences following damage to human prefrontal cortex. Cognition, 50(1-3), 7-15.
^13 Ferris, J., & Wynne, H. (2001). The Canadian problem gambling index: Final report. Submitted for the Canadian Centre on Substance Abuse.
^14 Raylu, N., & Oei, T. P. (2004). The Gambling Related Cognitions Scale (GRCS): Development, confirmatory factor validation and psychometric properties. Addiction, 99(6), 757-769.
^15 Raylu, N., & Oei, T. P. S. (2004). The gambling urge scale: Development, confirmatory factor validation, and psychometric properties. Psychology of Addictive Behaviors,18, 100–105. doi:10.1037/0893-164X.18.2.100
^16 Bremner, J. D., Krystal, J. H., Putnam, F. W., Southwick, S. M., Marmar, C., Charney, D. S., & Mazure, C. M. (1998). Measurement of dissociative states with the clinician‐administered dissociative states scale (CADSS). Journal of Traumatic Stress: Official Publication of The International Society for Traumatic Stress Studies, 11(1), 125-136.
^17 Witmer, B. G., & Singer, M. J. (1998). Measuring presence in virtual environments: A presence questionnaire. Presence, 7(3), 225-240.
^18 Kennedy, R. S., Lane, N. E., Berbaum, K. S., & Lilienthal, M. G. (1993). Simulator sickness questionnaire: An enhanced method for quantifying simulator sickness. The international journal of aviation psychology, 3(3), 203-220.
^19 Bouchard, S., Robillard, G., St-Jacques, J., Dumoulin, S., Patry, M. J., & Renaud, P. (2004, October). Reliability and validity of a single-item measure of presence in VR. In Haptic, Audio and Visual Environments and Their Applications, 2004. HAVE 2004. Proceedings. The 3rd IEEE International Workshop on (pp. 59-61). IEEE.
^20 Nacke, L. (2009). Affective ludology: Scientific measurement of user experience in interactive entertainment (Doctoral dissertation, Blekinge Institute of Technology).
Contact Persons at the University Würzburg
Sebastian OberdörferMensch-Computer-Interaktion, Universität Würzburg
sebastian.oberdoerfer@uni-wuerzburg.de