Human-Computer Interaction

Glücksspiele in VR


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1. Motivation / Ziele

Pathologisches Spielen (PG) oder Glücksspielstörung ist eine Störung, die in häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücksspiel besteht, das die Lebensführung des betroffenen Patienten beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt ^1. In Deutschland gelten etwa 326.000 Menschen als problematische Spieler (Vorstufe von PG) und etwa 180.000 als pathologische Spieler ^2.

Sowohl die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) als auch das Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM) haben in ihren aktuellen Ausgaben PG als “Störungen aufgrund von Substanzkonsum oder Suchtverhalten” eingeordnet ^3 ^4. Somit steht PG auf gleicher Stufe wie Alkohol-, Nikotin- oder Kannabisabhängigkeit.

Ähnlich wie der Alkohol- und Zigarettenkonsum ist Glücksspiel gesellschaftlich anerkannt. Im vergangen Jahr hat sich etwa jeder dritte deutsche Erwachsener in irgendeiner Form an Glücksspielen beteiligt ^2.

Lotterien sind die meistgespielte Form von Glücksspiel und gelten als “weiche” Glücksspiele, haben also eher ein geringes Gefährdungspotenzial ^5. Spielautomaten, mit nur 1/10 der Spielerzahl, sind der umsatzstärkste Bereich auf dem deutschen Glücksspiel-Markt mit 2016 dem vierfachen Umsatz aller deutschen Lotterien zusammen. Spielautomaten gelten als “harte” Glückspiele und haben ein vergleichsweise hohes Gefährungspotential.

Glücksspiele in VR scheint der nächste logische Schritt zu sein. Besonders der Generation Y, die sich von traditionellen Glücksspielen weniger angesprochen fühlen, soll so Glücksspiel nähergebracht werden. Auf Messen, wie der International Casino Expo, sind so für fast alle Arten von Glücksspielen bereits VR Versionen angekündigt worden. Darunter Online-Spielautomaten, Roulette und Sportwetten sowohl als Einzelspieler- als auch als soziale Mehrspielererfahrungen.

Viele Experten auf dem Gebiet von Glücksspielsucht, wie zB. Gainsbury, warnen jedoch schon seit Jahren vor potentiellen Gefahren von Glücksspielen in VR. Demnach können Glücksspiele in VR problematische Aspekte von Online-Glückspiel (wie digitale Währungen, keine Kontrolle des Alkoholkonsums und ein sofortiger Zugang zu Spiele-Sessions) und Kasino-Glücksspiel (wie motivierende Umgebungen und soziale Interaktionen) kombinieren ^6. Es gibt jedoch kaum aktuelle Studien, die sich diesem Thema widmen. Studien, die zu dieser Fragestellung zitiert werden, nutzen meist veraltete Technik und unnatürliche Interaktionen ^7 ^8 ^9.

Ziel dieses Projekts ist NICHT das Erstellen einer neuen, möglichst guten Glücksspielandwendung. Es soll festgestellt werden, ob und in welcher Form VR sich auf das Spielverhalten und Spielerlebnis von Probanden auswirkt. Die hierfür erstellte Anwendung nutzt ausschließlich Spielmechaniken, die bereits in irgendeiner Form in der Glücksspielindustrie genutzt wurden. Es sollen zwei Anwendungen erstellt werden, die bis auf das verwendete Medium (VR/Desktop), identisch sind. Dadurch können die Effekte von VR auf das Spielen eines solchen Glücksspiels in einer kontrollierten und realistischen Umgebung untersucht werden.

2. Forschungsstand / Vorarbeiten

Es existieren leider keine Fragebögen oder psychologische Einheiten, die beschreiben, wie süchtig-machend eine bestimmte Sache ist. Es gibt jedoch andere Werte und Faktoren, die im Bezug auf Glücksspiele relevant sind. Es kann etwa mit dem Problem Gambling Severity Index ^9 mit nur 9 Items relativ genau erkannt werden, ob das Spielverhalten eines Spielers pathologischer Natur ist. Weitere Faktoren beim PG sind der “Drang Glücksspiele zu spielen” und die Dissociation, die beide möglichst niedrig sein sollten.

VR wird bereits für PG-Therapien eingesetzt. Schlüsselfaktor bei diesen Therapien ist meist der Drang Glücksspiele zu spielen. In der herkömmlichen Form dieser Therapien werden den pathologischen Spielern Bilder von zum Beispiel Spielautomaten oder Kasinos gezeigt, um bei ihnen diesen Drang auszulösen. VR wird genutzt, um pathologische Spieler direkt in eine emotionale Umgebung zu versetzen. Dadurch ist es möglich einen signifikanten Drang zum Glücksspielen zu erzeugen, der genau so stark wie der an einem echten Automaten ist ^11. Genau so steigt in VR der Drang zum Glücksspielen bei Glücksspielern signifikant an, wenn diese von einer Übungs-Umgebung in eine virtuelle Bar mit Spielautomaten wechseln ^9.

Ein weiteres Forschungsfeld sind Harm-Minimisation Strategien (HM). Ihr Ziel ist es Glücksspiel im Bezug auf PG sicherer zu machen, ohne dass dabei der Spielspass darunter leidet. Nach dem Wissen des Autors gibt es jedoch noch keine HM für Glücksspiele in VR oder HM, die im VR Kontext getestet wurden. Zu den HM zählen etwa Zwangspausen nach bestimmten Spielzeiten oder Informationen über Gewinnwahrscheinlichkeiten in oder an Spielen. Dieses Forschungsfeld ist für diese Arbeit so relevant, weil die Forscher in Studien beweisen müssen, dass ein Glücksspiel durch eine HM weniger süchtig machend ist.

Um zu untersuchen, ob Warnungs-Nachrichten eine Auswirkung auf das Glücksspielverhalten haben, wird unter anderem betrachtet wie viel Geld die Spieler übrig hatten, wie oft sie gespielt haben und welche Risiken sie bei ihren Wetten eingegangen sind ^12. Oder bei der Frage, welche Auswirkung selbst gesetzte Geldgrenzen auf das Glücksspielverhalten haben, wird betrachtet um wie viel die Limits über- bzw. unterschritten wurden, wie viel Geld am Ende übrig war und wie stark die Dissociation und das Verlangen nach Glücksspielen war ^13.

3. Geplante Methodik / Konzepte

In diesem Projekt alle Arten von Glücksspiel zu betrachtet würde den Rahmen eines Masterprojekts sprengen. Deshalb wird für die erste Pilotstudie ein Spielautomat in VR untersucht, welcher die umsatzstärkste Form von Glücksspiel in Deutschland darstellt. Das besonders hohe Gefährdungspotential, das diese Automaten besitzen, könnte eventuelle Effekte verstärken. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie kann weiteres Vorgehen geplant werden.

Die Anwendung wird aktuelle VR Hardware und ein modernes VR Interface nutzen, um mit den bald erscheinenden VR Glücksspielen vergleichbar zu sein. Ziel dieses Projekts ist, wie bereits beschrieben, nicht das Finden neuer VR Mechaniken für Glücksspiele oder das Verbessern von bestehende Mechaniken. Deshalb sollen nur Spielmechaniken genutzt werden, die bereits von VR Glücksspielen genutzt werden. Es soll viel mehr die Auswirkung von VR auf das Spielverhalten und Spielerlebnis von Probanden beim Glücksspielen untersucht werden. Daher soll die selbe Anwendung in VR auf dem Desktop gespielt werden können. Um eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten sollen beide Versionen möglichst identisch im Bezug auf Usability, Interaktionen und Präsentation sein.

Um potentielle Gefahren für die Probanden zu minimieren, wird darauf verzichtet echtes Geld in Verbindung mit Spielautomaten zu verwenden. Deshalb wird eine Free to Play Variante genutzt. Diese Spiele nutzen oft, neben den selben Mechaniken wie normale Spielautomaten, zusätzliche motivierenden Systeme wie Level und Erfolge. Jedoch gelten diese Spiele laut Gesetz nicht als Glücksspiele, weil man zwar Geld zahlen kann, um Credits zu bekommen, man aber kein Geld ausgezahlt bekommt. Diese Spiele besitzen im Google Play Store meistens keine Altersbeschränkung ^14.

Neben der Anwendung selber sind die Probanden ein weiterer wichtiger Punkt in der Studie. Die meisten der bisher beschrieben Studien sind nur bedingt allgemeingültig. Die Probanden sind meist immer pathologische Spieler, die nur einem kleinen Teil der gesamten Spieler entsprechen. Erkenntnisse sollten genutzt werden, um Glücksspiele für diejenigen sicherer zu machen, die bereits sicher spielen oder bei denen das Risiko besteht Probleme zu entwickeln ^15. Deshalb ist es sinnvoll Probanden aus dem bereits existierenden Probanden-System zu rekrutieren. Um auszuschließen, dass dennoch pathologische Spieler rekrutiert werden, muss zusätzlich jeder Proband über den Problem Gambling Severity Index getestet werden.

3.1 Anwendung

Die Anwendung soll als VR- und Desktop-Version spielbar sein. Das Spiel soll charakteristische Elemente eines Free-to-Play Online Spielautomaten enthalten. Charakteristische Elemente für Free-to-Play Online Spielautomaten sind (1) hohe Spielgeschwindigkeit, (2) Spielgeld, (3) Falsche Gewinne, (4) Fast-Gewinne, (5) Level System und (6) Auditive und Visuelle Reize.

Spielautomaten besitzen in der Regel zufällig gezogene Symbolen, die bei speziellen Anordnungen Gewinne auslösen können. Die Anzahl an Symbole und die Gewinn-Regeln variieren von Spiel zu Spiel. In der Regel gelten mindestens drei gleiche Symbole, die am linken Rand beginnen, als Gewinn. Die Gewinnhöhe ist wiederum vom Symbol abhängig. Viele Spielautomaten besitzen zusätzlich Spielmechaniken wie zum Beispiel Freispiele oder Doppelt-Oder-Nichts-Wetten. Der Spieler kann zum einen seinen Einsatz erhöhen oder verkleinern und zum anderen ein Spiel starten. Mehr Interaktionen werden dem Spieler nicht geboten.

Der virtuelle Spielautomat soll vergleichbare Werte wie ein realer Spielautomat besitzen. Relevante Werte sind der “Return to Player”, die “Hit Ratio” und die Höhe der Gewinne. Gesetzliche Vorgaben, wie eine Spielzeit von mindestens fünf Sekunden pro Spiel, sollen ebenfalls eingehalten werden.

Die zufälligen Symbole, die einen Gewinn bilden können, sollen pseudo-zufällig mit Hilfe eines Seeds vom System gezogen werden. Dadurch kann eine Studie deutlich besser kontrolliert werden, weil jeder Proband die selben Symbole zur selben Zeit ziehen wird.

3.2 Hypothese

Es werden mehrere Hypothesen aufgestellt:

H1: “Spieler erleben in der VR Version eine höhere Dissoziation als in der Desktop Version”

H2: “Spieler erleben nach dem Spielen der VR Version ein höheres Verlangen weiter zuspielen als nach der Desktop Version.”

3.3 Variablen

UV:

AVs:

Weitere:

3.4 Studiengestaltung

Die Studie wird mit einem Within-Subject-Design durchgeführt. Fragebögen werden vor, während und nach dem Spielen von den Probanden bearbeitet. Außerdem wird nach dem Spielen beider Konditionen ein Interview geführt.

Ablauf:

  1. Einverständnis-, Datenschutzerklärung & Allgemeine Teilnehmerinformation über die Untersuchung
  2. Vorfragebögen
  3. Tutorial/Einführung
  4. Spielen + Mid Fragebogen
  5. Postfragebögen
  6. Einführung
  7. Spielen + Mid Fragebogen
  8. Postfragebögen
  9. Interview
  10. Prevention Video

Um eventuelle Risiken von Glücksspielsucht zu minimieren, werden folgende Maßnahmen getroffen:

3.5 Fragebögen

Es werden folgende Fragebögen verwendet:

4. Referenzen

^1 World Health Organization (1992). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: Clinical descriptions and diagnostic guidelines.

^2 Banz, M. and Lang, P.(2017). GLÜCKSSPIELVERHALTEN UND GLÜCKSSPIELSUCHT IN DEUTSCHLAND. Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, doi: 10.17623/BZGA:225-GS-SY17-1.0

^3 World Health Organization (2018). ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics

^4 American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders: DSM-5

^5 Meyer, G., & Bachmann, M. (2017). Spielsucht: Ursachen, Therapie und Prävention von glücksspielbezogenem Suchtverhalten. Springer-Verlag.

^6 Gainsbury, S. M., & Blaszczynski, A. (2017). Virtual reality gambling: public policy implications for regulation and challenges for consumer protection. Gaming Law Review, 21(4), 314-322.

^7 Bouchard, S., Loranger, C., Giroux, I., Jacques, C., & Robillard, G. (2014). Using virtual reality to provide a naturalistic setting for the treatment of pathological gambling. In The Thousand Faces of Virtual Reality. InTech.

^8 Giroux, I., Faucher-Gravel, A., St-Hilaire, A., Boudreault, C., Jacques, C., & Bouchard, S. (2013). Gambling exposure in virtual reality and modification of urge to gamble. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 16(3), 224-231.

^9 Park, C. B., Park, S. M., Gwak, A. R., Sohn, B. K., Lee, J. Y., Jung, H. Y., … & Choi, J. S. (2015). The effect of repeated exposure to virtual gambling cues on the urge to gamble. Addictive behaviors, 41, 61-64.

^10 Ferris, J., & Wynne, H. (2001). The Canadian problem gambling index: Final report. Submitted for the Canadian Centre on Substance Abuse.

^11 Bouchard, S., Robillard, G., Giroux, I., Jacques, C., Loranger, C., St-Pierre, M., … & Goulet, A. (2017). Using Virtual reality in the Treatment of gambling Disorder: The Development of a new Tool for cognitive Behavior Therapy. Frontiers in psychiatry, 8, 27.

^12 Floyd, K., Whelan, J. P., & Meyers, A. W. (2006). Use of warning messages to modify gambling beliefs and behavior in a laboratory investigation. Psychology of Addictive Behaviors, 20(1), 69.

^13 Stewart, M. J., & Wohl, M. J. (2013). Pop-up messages, dissociation, and craving: How monetary limit reminders facilitate adherence in a session of slot machine gambling. Psychology of Addictive Behaviors, 27(1), 268.

^14 [Google Play: Slotmania] [f0cf1e60] [f0cf1e60] https://play.google.com/store/apps/details?id=air.com.playtika.slotomania

^15 Harris, A., & Griffiths, M. D. (2017). A critical review of the harm-minimisation tools available for electronic gambling. Journal of gambling studies, 33(1), 187-221.

^16 Raylu, N., & Oei, T. P. (2004). The Gambling Related Cognitions Scale (GRCS): Development, confirmatory factor validation and psychometric properties. Addiction, 99(6), 757-769.

^17 Raylu, N., & Oei, T. P. S. (2004). The gambling urge scale: Development, confirmatory factor validation, and psychometric properties. Psychology of Addictive Behaviors,18, 100–105. doi:10.1037/0893-164X.18.2.100

^18 Bremner, J. D., Krystal, J. H., Putnam, F. W., Southwick, S. M., Marmar, C., Charney, D. S., & Mazure, C. M. (1998). Measurement of dissociative states with the clinician‐administered dissociative states scale (CADSS). Journal of Traumatic Stress: Official Publication of The International Society for Traumatic Stress Studies, 11(1), 125-136.

^19 Witmer, B. G., & Singer, M. J. (1998). Measuring presence in virtual environments: A presence questionnaire. Presence, 7(3), 225-240.

^20 Kennedy, R. S., Lane, N. E., Berbaum, K. S., & Lilienthal, M. G. (1993). Simulator sickness questionnaire: An enhanced method for quantifying simulator sickness. The international journal of aviation psychology, 3(3), 203-220.

^21 Bouchard, S., Robillard, G., St-Jacques, J., Dumoulin, S., Patry, M. J., & Renaud, P. (2004, October). Reliability and validity of a single-item measure of presence in VR. In Haptic, Audio and Visual Environments and Their Applications, 2004. HAVE 2004. Proceedings. The 3rd IEEE International Workshop on (pp. 59-61). IEEE.

^22 Nacke, L. (2009). Affective ludology: Scientific measurement of user experience in interactive entertainment (Doctoral dissertation, Blekinge Institute of Technology).


Contact Persons at the University Würzburg

Sebastian Oberdörfer
Mensch-Computer-Interaktion, Universität Würzburg
sebastian.oberdoerfer@uni-wuerzburg.de

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