Human-Computer Interaction

Der Einfluss personalisierter fotorealistischer Avatare auf die Produktwahrnehmung in Virtual Fitting Rooms.


This project is already completed.

Motivation

Wer sich dazu entscheidet online Kleidung und Accessoires zu kaufen, geht immer auch ein Risiko ein. Passt die bestellte Artikelgröße? Wie ist der Schnitt? Gefällt mir das gekaufte Produkt an meinem Körper? Geht letzten Endes die Ware an den Onlinehändler zurück, kostet dies dem Verbraucher Zeit und dem Unternehmen Geld. So gehen aus Studien der Retourenforschung der Universität Bamberg hervor, dass im Jahre 2012 branchenübergreifend circa 286 Millionen Rücksendungen innerhalb Deutschlands getätigt wurden. Zur Veranschaulichung dieses Paketaufkommens ergäbe eine Aneinanderreihung dieser Pakete, mit einer angenommenen Durchschnittslänge von 40 cm, 2,86 Erdumrundungen (Asdecker, 2019). Die hieraus entstehenden Aufwendungen sind nicht nur wirtschaftliche Belastungen, sondern strapazieren auch aufgrund des doppelten Lieferwegs die Umwelt. Die hierbei enstehende CO2-Belastung beläuft sich so laut aktuellen Auswertungen der Uni Bamberg auf etwa 238.000 Tonnen. Dies entspricht in etwa einer Umweltbelastung von täglich 2.200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau (Asdecker, 2018).

Laut der IHL Group, einem globalen Forschungs- und Beratungsunternehmen für die Einzelhandels- und Gastbranche, entstanden allein im Jahr 2015 weltweit aufgrund von nicht passenden Kleidungsstücken Retouren im Wert von 62,4 Milliarden US-Dollar. Ein hierfür genannter Grund sind oftmals fehlende unternehmensübergreifende Standards bei der Größenvergabe, sowie eine geringe Anzahl an angebotenen Kleidergrößen (IHL-Group, 2015).

Eine mögliche Lösung dieser Problematiken können sogenannte Virtual Fitting Rooms (kurz VFR) darstellen, die bereits vereinzelt Verwendung in Online Shops finden. Hierbei haben Kunden die Möglichkeit präsentierte Kleidungsstücke virtuell auf ihrem eigenen Körper darzustellen und somit Passgenauigkeit und Look zu prüfen, um ihre Kaufentscheidung zu festigen.

Die gängigste Form der Darstellung des Users innerhalb eines VFR erfolgt über die Verwendung von Kameras, Sensorik oder zuvor erzeugten 3D-Modellen.

Im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit wird nun untersucht, wie die Darstellung des Users im Virtual Fitting Room das Kaufverhalten der Kunden und hiermit auch die potentiellen Rücksendungen beeinflusst. Verglichen werden unterschiedliche Personalisierungsgrade: die Repräsentation des Users anhand (1) eines fremden fotorealistischen Avatars, (2) eines Avatars bestehend aus dem Körper des Users und dem Kopf des fremden Avatars, sowie (3) dem gescannten Selbstabbild.

Forschungsstand

Der sogenannte Virtual Fitting Room ist eine Adaption herkömmlicher physikalisch vorhandener Umkleideräume auf virtueller Ebene. Ziel hierbei ist die Unterstützung des Kunden bei der Auswahl der Kleidergrößen und der Entscheidungsfindung.

Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov veröffentlichte eine datenbankgestützte Einschätzung im Bezug auf mögliche Einsatzgebiete von Virtual Fitting Rooms. So können sich 61 Prozent der Befragten vorstellen eine Brille anhand einer virtuellen Anprobe zu kaufen. T-Shirts und Tops (55 Prozent), Jacken und Mäntel (48 Prozent) oder Hosen (46 Prozent) sind weitere Produkte, die von Online-Shoppern ebenfalls virtuell erprobt werden würden (Melchert, 2017).

Die userseitige Aktzeptanz eines Virtual Fitting Rooms wurde bereits anhand des Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) Models untersucht (Huang & Quin, 2011, Venkatesh, Morris, Davis & Davis, 2003). An dieser Umfrage nahmen 226 Nutzer von Virtual Fitting Rooms teil. Die Resultate weisen auf eine hohe Akzeptanz der dargebotenen Virtual Fitting Rooms hin.

Neben der userseitigen Akzeptanz ist der Nutzen für Unternehmen ebenfalls ein essentieller Faktor. Retouren sind vor allem für kleinere Unternehmen kostspielige Angelegenheiten. Jedoch wirkt sich eine fehlende oder unzureichende Retourenpolitik auch negativ auf die Kauferfahrung von Kunden aus und kann so eine Gefahr für die Wahrung des Kundenstammes darstellen (Feider, 2018). So kann die Reduzierung von Retouren nicht nur eine finanzielle Entlastung für Unternehmen darstellen.

Diese Problematik wurde in einer Reihe von Studien thematisiert und Lösungsansätze eruiert. Die visuelle Anprobe von Kleidungsstücken im Rahmen eines Virtual Fitting Rooms ist hierbei ein beliebter Ansatz (Becerra Rodriquez, 2016; Erra, Scanniello und Colonnese, 2018; Liu, Jiang, Sze und Wang 2009; Swatman und Chin, 2004). Primäre Erkenntnis ist dabei, dass der Einsatz von Virtual Fitting Rooms zwar die traditionellen Kleiderkabinen aufgrund von Passgenauigkeit und dem Erleben von Materialbeschaffenheit nicht vollständig ersetzen, jedoch dem Kunden einen ersten Eindruck über den Artikel verschaffen kann (Becerra Rodriquez, 2016). Hierbei profitiert vor allem der Einsatz dieser Technologie im Online Segment. Die Testpersonen gaben an, dass der Einsatz von VRF vor allem eine Zeitersparnis bei der Wahl des richtigen Artikels bewirkt (Erra et al., 2018; Liu et al. 2009).

Ein wissenschaftlicher Vergleich von Alternativen im Bereich der Userabbildung innerhalb eines Virtual Fitting Rooms oder die Gegenüberstellung mit Alternativansätzen, wie die Darstellung eines generischen Avatars mit der Körperform des Benutzers, fehlt gänzlich. Im Rahmen der Arbeit sollen folgende Forschungsfragen untersucht werden:

Studiendesign

Ziel der Studie ist der Vergleich von unterschiedlichen Personalisierungsstufen fotorealistischer Avatare innerhalb der beschriebenen Virtual Fitting Room Technologie, um Aussagen über die angesetzten Fragestellungen zu treffen. Es sollen Rückschlüsse auf das Kaufverhalten und die Wirkungsweise eines Virtual Fitting Rooms im Bezug auf die unterschiedlichen Darstellungsformen getroffen werden. Der Personalisierungsgrad der Avatare bildet die unabhängige Variable. Hierbei werden die drei Gruppen (1) fremder fotorealistischer Avatar (kein Personalisierungsgrad), (2) Avatar mit Körper des Probanden und dem Kopf des fremden Avatars (mittlerer Personalisierungsgrad), sowie (3) dem Selbstabbild (hoher Personalisierungsgrad) unterschieden.

Die Durchführung der Studie folgt einem Within-Design bestehend aus den bereits erwähnten drei Gruppierungen, die sich im Bezug auf den Personalisierungsgrad der dargestellten Avatare unterscheiden. Grund für ein Within-Design ist die aufwändige Bearbeitung der Avatare und damit die beschränkte Anzahl möglicher Probanden. Außerdem hat der Proband so die Möglichkeit alle vorhandenen Szenarien zu testen und einen direkten Vergleich vorzunehmen. Der Ablauf der Studie wird durch den hohen Arbeitsaufwand in zwei Termine unterteilt. Während des ersten Termins erfolgt die Erstellung des fotorealistischen Avatars des Probanden durch Einsatz des Photogrammetrie Rigs des Lehrstuhls Mensch-Computer-Interaktion. Beim zweiten Termin interagieren die Teilnehmer mit dem Virtual Fitting Room. Dieser wird im Rahmen der Arbeit prototypisch als Desktop-Anwendung implementiert und für die Verwendung mit dem Photogrammetry Scanner optimiert. Im Virtual Fitting Room soll es möglich sein verschiedene Kleidergrößen zu wählen und die Passung des Kleidungsstücks anhand des 3D-Modells betrachten zu können.

Zeitplan

Literatur


Contact Persons at the University Würzburg

Andrea Bartl (Primary Contact Person)
Mensch-Computer-Interaktion, Universität Würzburg
andrea.bartl@uni-wuerzburg.de

Legal Information